Stimme (4), Lautsprecher (32)
Beschreibungen
"In „Blackboxed Voices“ fließen Architektur, Licht, Performance und Klang ineinander, transformieren und bedingen sich wechselseitig. An vier Vorstellungsabenden erklingen Stimmen als semantisches und asemantisches Kommunikationsinstrument, live und losgelöst vom menschlichen Körper aus Lautsprechern, während sie sich an den perkussiven Klangstrukturen des Zuspielbands und deren elektronischer Verarbeitung reiben. In non-linearer Erzählform werden parallel ablaufende abstrakte Geschichten miteinander verwoben. Jede Stimme – live gesungen, gesprochen oder aufgenommen – erzählt ihre eigene Geschichte in abstrahierter, fragmentierter Form. Parallelitäten und Überschneidungen führen zu einem Konglomerat aus Assoziationen und neuen Deutungsformen. Das Publikum begeht die Säulenhalle und begegnet unterschiedlichsten Situationen: Momente des fokussierten Hörens von Klanggeschichten bis hin zu Performer:innen, die Raum und Zeit mittels Technologie auf surreale Ebenen heben.
Bei der visuellen Ebene handelt es sich um eine zarte und feine Lichtarchitektur, die sich angelehnt an die veräumlichten Klangstrukturen, quasi verflochten mit der Musik, ihren Weg durch die Halle bahnt. Sowohl eigenständig als auch im Zusammenspiel mit den vier Ebenen des Stücks, entstehen immer neue Räume, optische Erweiterungen, wodurch auch Imagination und Wahrnehmung bei den Zuhörenden stets neu zu erleben sein wird. [...]
Bei „Blackboxed Voices“ geht es vor allem um Wahrnehmung, um das Schauen, Hören und Fragen. Wo bin ich? Wer bin ich? Welche Rolle hab ich jetzt gerade? Bin ich wirklich (noch) Publikum oder schon Agierende bzw. Agierender mitten im Lichtkegel – gemeinsam mit dem Performer bzw. der Performerin neben mir? Was macht das mit mir? Dieses Stück möchte Geschichten erzählen und viel Raum für die eigenen lassen."
Martina Claussen (2022): „Dieses Feilen am Klang finde ich großartig!“ – Martina Claussen im mica-Interview In: mica-Musikmagazin.
"Mit dem Begriff der „Blackbox“ verwendet Claussen ein Synonym für die Verwendung von Lautsprechern. „I am Here“ bezieht sich hierbei auf den Gegensatz zwischen Nähe und Distanz und die Unmittelbarkeit der Performance. Die insgesamt 32 im Raum verteilten und speziell ausgerichteten Lautsprecherboxen mit unterschiedlichen Frequenzgängen sowie das räumlich zentral platzierte Mischpult, von dem aus diese angesteuert werden, bilden den klanglichen Kern der Aufführung. Der musikalische und räumliche Eindruck wird zudem um eine performative Komponente, verkörpert durch vier Performende, erweitert, die teils entlang einer Choreografie, teils improvisatorisch agieren. Kostüme, eine spezielle Lichtshow sowie die Innenarchitektur der Säulenhalle verbinden des Geschehen zu einem vollendeten Gesamtkonzept. Musik, Lichtarchitektur, Raum und Performance werden miteinander verwoben und bilden die Eckpfeiler eines Konzerts neuer Musik, das gleichzeitig mit dem ritualisierten und institutionalisierten Prozess, der vor, während und nach einem klassischen Konzert für gewöhnlich stattfindet, brechen soll. Der Ort der Uraufführung soll dabei die Intention des Werkes widerspiegeln, kann sich doch das Publikum frei im Raum bewegen. Die Zuhörenden werden Teil des Momentes und können so auch durch den sich bewegenden Lichtkegel während des Konzertes zwischenzeitig in den Fokus der Komposition rücken."
Valeska Maria Müller, Maximilian Hassler, Lukas Brunner (2022): Klangdusche in der Säulenhalle. In: mica-Musikmagazin.
"Im Laufe des Werkes wird eine diffuse Klangwelt erzeugt, die das Publikum umgibt und es in den neu geformten Raum eintreten lässt. Die Komponistin erzeugt durch Live-Spatialisierung, die selbstbestimmte Bewegung von Klängen in verschiedene Richtungen, einen fluiden Charakter der Räumlichkeit: Der Raum wird zum Instrument. Claussen spielt mit Nähe und Distanz, operiert mit den Lautsprechern als Orchester, wodurch sich eine Vielfalt an Spielarten eröffnet."
Jonathan Hofmann, Paloma Newrkla, Albert Drägerdt (2022): HEARING OUTSIDE THE BOX – DYSTOPIEN DER WAHRNEHMUNG. In: mica-Musikmagazin.
"Die Performance selbst setzt sich nicht nur durch die Wiedergabe von Tonaufnahmen, sondern auch durch den improvisatorischen Umgang mit ihnen zusammen. Die Komponistin, die unter anderem einen „Lehrgang für Elektroakustische und Experimentelle Musik“ (ELAK) an der mdw absolvierte, vereint dabei die technischen Möglichkeiten des Mischpults mit den raumakustischen Besonderheiten des Semperdepots und erzeugt somit ein „Spiel mit Nähe und Distanz“. Eine weitere Besonderheit des Werkes ist die Verwendung von unterschiedlichen Motiven, die im Laufe des Stückes wieder aufgegriffen und neu verarbeitet werden. Dadurch entstehe eine „dystopische Grundstimmung“, so die Komponistin. Wenngleich der Einfluss des Russland-Ukraine-Konflikts zum Zeitpunkt der Werkgenese eine nicht unwesentliche Rolle spielte, gibt Claussen keine Deutung vor."
Constanze Gepart, Marie-Rose Ströbinger, Kolja Porschke (2022): Mit Köpfler in den Klangpool. In: mica-Musikmagazin.
"Die hörbaren Klänge setzten sich hierbei aus live modulierten Soundscapes, zum anderen aus dem Live-Einsatz der rohen, natürlichen Stimmen der Performenden zusammen, die durch 32 Lautsprecher den Raum durchfluten. Claussen sammelte im Vorfeld einen „Klangpool“ an Aufnahmen, hierunter solche, die im Studio entstanden, und andere, die sie urbanen und naturnahen Gefilden aufnahm. Der Klang an sich spielt hierbei für sie die wesentliche Rolle: „Wie ist der Klang beschaffen, wie ist seine Textur? Was drückt er aus oder in welche Richtung geht er?“, sind Fragen, mit denen sich Claussen auseinandersetzt."
Yoko Yamada, Mercedes Frühberger, Maximiliane Schrank (2022): Der Raum als Instrument – eine performative Klanginstallation mit Bewegung, Musik, Licht und Architektur. In: mica-Musikmagazin.
"Die 32 Klangspuren, oder auch die „Partitur“, wie sie Claussen nennt, bilden den Rahmen. Mittels vier Geschichten jeder und jedes Performenden, deren Choreografien in Solo-, Duo- oder Trio-Form und aktivem Spiel mit mobilen oder festen Lichtern zu „Time-Frames“ zusammengestellt sind, formt sich ein Gesamtkonstrukt, das den Spielort als Klangkörper nutzt. Logistisch war das „Setzen der Klänge“ eine große Herausforderung. Durchgehend spielen sich die verschiedensten Dinge ab, kontrastieren sich, ergänzen sich aber auch stimmig. Die Zuschauenden können laut Claussen aufgrund der Reizüberflutung nie jedes Detail mitbekommen. Der fehlende akustische Mittelpunkt der Location ist eine Herausforderung wie auch Stilfigur zugleich. Und der offene Raum lässt zu, dass die Zuschauenden selbst zu Teilnehmenden werden. Die Klangkünstlerin betont, wie sehr es sich vom Konstrukt eines Konzerts an einem konventionellen Austragungsort unterscheiden soll, so wird auf Sitzreihen, fixe Platzwahl oder sonstige Normen verzichtet. Auf den Begriff der „performativen Klanginstallation“, um ihr Werk zu beschreiben, wollte sich Martina Claussen dennoch nicht festlegen."
Aisha Gstöttner, Dorian Raphael Kalwach (2022): Wenn Lautsprecher zum Instrument werden. In: mica-Musikmagazin.
"Ziel ist die Verwebung der Ebenen und das Schaffen eines interaktiven Raums, in dem die Barriere zwischen Publikum und Performenden verschwimmt. Eine Bühne oder festgelegte Sitzplätze gibt es daher nicht. Um das je nach Position variierende Geschehen optimal wahrnehmen zu können, steht es dem Publikum frei, sich ruhig durch den Raum zu bewegen. Die Interaktion der Mitwirkenden ist dabei nicht nur ein wichtiger performativer Aspekt, sondern für die Komponistin auch ein integrales kompositorisches Element. Die Abläufe und Szenen verkörpern die Genese der gemeinsamen Improvisation über das von Claussen vorgegebene Fundament einer dystopischen Grundstimmung, die durch den „Klangpool“ aus Field-Recordings und Vokalaufnahmen erzeugt wird."
Hanna Bertel, Jil Paul, Katharina Ressl (2022): „Blackboxed Voices – I am Here“: Ein Dialog in vier Dimensionen von Martina Claussen. In: mica-Musikmagazin.
"Vier Performende (Brigitte Wilfing, Tobias Leibetseder, Patric Redl und Alex Franz Zehetbauer) erzählen in der Choreografie von Wilfing eine individuelle Geschichte und verkörpern dabei eine nicht greifbare Traumwelt. Aus der Kombination mit Musik und Licht schaffen die Künstlerinnen und Künstler ein Spiel aus Nähe und Distanz. Mal verhalten sich beide Elemente synchron, mal machen sie etwas komplett Verschiedenes. Bereichert werden diese Lichtspiele nicht nur durch Scheinwerfer, sondern auch durch Projektionen, magnetische und mobile Lichtquellen an den Säulen sowie durch reflektierende Kostüme von Patrizia Ruthensteiner. Die von Conny Zenk inszenierte Lichtinstallation bildet ebenso einen Kontrapunkt wie auch eine Ergänzung zu den Klangerscheinungen. Die Stimme im Raum gilt als zentrales Mittel, das eingebettet ist in die Lichtgestaltung und den durchgetakteten, aber in sich nochmals freigelassenen Ablauf. Die feststehenden Zeitintervalle begünstigen auch die durchdachte Szenerie, welche zudem den Künstlerinnen und Künstlern in den „Timeframes“ Platz für Improvisation lässt. Das Stück lebe vom „Verweben“ der vier Ebenen, so beschreibt Claussen ihren Ansatz, jedoch sollen sie nicht – oder aber auch ganz bewusst – in Konflikt miteinander geraten. Dennoch könnte jede Säule ebenso autark funktionieren. Mit diesem Kollektivkunstwerk eint die Komponistin ihre Vision, Klängen und der Stimme einen Raum zu geben."
Hanna Bertel, Jil Paul, Katharina Ressl (2022): Ein Raum voller Klang – oder doch ein Klang voller Räume? In: mica-Musikmagazin.
Auftrag: 2022 Wien Modern
Uraufführung
12. November 2022 - Wien, Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste
Veranstaltung: Wien Modern - MARTINA CLAUSSEN: BLACKBOXED VOICES
Mitwirkende: Martina Claussen (Spatialisation, Künstlerische Projektleitung), Brigitte Wilfing (Performance, Choreographie, Inszenierung), Tobias Leibetseder (Performance), Patric Redl (Performance), Alex Franz Zehetbauer (Performance), Thomas Gorbach (Akusmonium, Produktionsmanagement The Acousmatic Project), Conny Zenk (Lichtarchitektur), Patrizia Ruthensteiner (Kostüme, Ausstattung)
Aufnahme
Titel: Martina Claussen: Blackboxed Voices - Trailer
Plattform: YouTube
Herausgeber: Martina Claussen
Datum: 06.02.2023
Mitwirkende: Martina Claussen (Spatialisation, Künstlerische Projektleitung), Brigitte Wilfing (Performance, Choreographie, Inszenierung), Tobias Leibetseder (Performance), Patric Redl (Performance), Alex Franz Zehetbauer (Performance), Thomas Gorbach (Akusmonium, Produktionsmanagement The Acousmatic Project), Conny Zenk (Lichtarchitektur), Patrizia Ruthensteiner (Kostüme, Ausstattung)
Weitere Informationen: Live Mitschnitt der Uraufführung
Titel: MARTINA CLAUSSEN: BLACKBOXED VOICES
Plattform: YouTube
Herausgeber: Martina Claussen
Datum: 20.12.2022
Mitwirkende: Martina Claussen (Spatialisation, Künstlerische Projektleitung), Brigitte Wilfing (Performance, Choreographie, Inszenierung), Tobias Leibetseder (Performance), Patric Redl (Performance), Alex Franz Zehetbauer (Performance), Thomas Gorbach (Akusmonium, Produktionsmanagement The Acousmatic Project), Conny Zenk (Lichtarchitektur), Patrizia Ruthensteiner (Kostüme, Ausstattung)
Weitere Informationen: Live Mitschnitt der Uraufführung
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 22. 2. 2024): Claussen Martina . Blackboxed Voices – I am Here. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db20.musicaustria.at/node/206465 (Abrufdatum: 2. 12. 2024).